Brief von Dr. Gerhard Sprintschnik an Mag. Bartelmus

Sehr geehrter Herr Mag. Bartelmus,

nach einem Jahr Pause möchte ich Ihnen wieder das „Vergnügen“ bereiten, von mir Post zu bekommen. Aber zuerst herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Flexibilität, Sie lassen manchen Politiker neben Ihnen alt aussehen. Als Eiskunstläufer würden Sie mit Ihren Pirouetten hervorragende Noten bekommen.

Erlauben Sie mir, dass ich mich kurz vorstelle: ich war 30 Jahre lang in leitender Position bei namhaften Firmen (Hoechst, AGFA, Kodak) tätig. Dabei habe ich in drei Kontinenten gelebt und gearbeitet (Deutschland, 3x USA, Korea und China). Meine Personal- und Budgetverantwortung war stets ein Vielfaches von IBS, allerdings muss ich gestehen: nicht als Eigentümer. Ich kann mit Stolz darauf zurückblicken, dass ich (anders als Herr Schönleitner) viele Arbeitsplätze geschaffen zu haben (wenn auch nicht in Österreich), und wenn es um Diskussion über Wirtschaft geht, bezeichne ich mich als sattelfest. Damit möchte auch ich Ihnen für Ihre unternehmerische Leistung meinen hohen Respekt zollen. Doch es geht mir in diesem Schreiben nicht um Ihre wirtschaftliche Kompetenz, sondern um menschliche und ethische Aspekte. Ich selbst gehöre keiner Partei an und zähle mich nicht zu den „Chaoten“, die sich an Bäume ketten.

Beginnen wir mit April 2008, also vor 15 Monaten. Im Murtal 1 ist zu lesen, dass sich der Protest gegen die Autobahn formiert (rund um den Industriellen Heinz Bartelmus. „Strategisch will man dabei vorgehen“, so der angesehene Industrielle. Teufenbach wird als Gemeinde der Wirtschaft gepriesen, und ich bin der Meinung, dass nicht viele Gemeinden diese Bezeichnung verdienen.

Kurz darauf ist im Murtal 1 zu lesen, dass sie die Mitglieder der Bürgerinitiative in eine Traumwelt platzieren und es kommt die unverhohlene Drohung eines Invesitionsstops (klingt immer gut, vor allem wenn man eh nicht investieren will). Am 5. Juli 2008 entschloss ich mich, Ihnen und Ihren Unternehmerkollegen zu antworten. Schon damals wies ich darauf hin, dass es keinen Zusammenhang zwischen Abwanderung von Unternehmen und Anbindung an die Autobahn gibt. Damals war die Schließung des TRW-Werks aktuell, heute erspare ich Ihnen die Diskussion um AT&S in Leoben (ein „gemachteres“ Nest kann man sich in dem Fall gar nicht vorstellen….großzügige Förderungen, eigener Autobahnzubringer etc.) Aus meiner Zeit in der Industrie weiß ich, wie unbedeutend die Transportkosten im Vergleich zu den Gesamtkosten sind. Und Sie befürworten eine Verpestung der Naturpark-Region, nur damit Ihre (wenigen) Lkws 6-7 min Zeit pro Fahrt sparen. Zusätzlich argumentierten Sie, dass ihre Manager auch mal nach Graz ins Theater fahren wollen (wie oft bitte?) und dass da eine Autobahn schon angenehmer wäre. Mir ist keine einzige Studie bekannt, wo eine „Verautobahnung“ zum wirtschaftlichen Aufschwung einer Region geführt hat, meistens ist das Gegenteil eingetreten: die strukturschwachen Regionen sind weiter verarmt.

In meinem Brief vor einem Jahr habe ich auch erläutert, wie sehr die mit Autobahnen gesegneten Bezirke (Leoben, Judenburg, Mürzzuschlag) von massiver Abwanderung geplagt werden, während die Bevölkerungszahl des Bezirks Murau zwar abnimmt, aber vergleichsweise eher stagniert. Was Sie mit Ihrer Befürwortung erreichen werden ist, dass Murau auch zum Luftsanierungsgebiet wird, wie alle anderen steirischen Bezirke, ausgenommen (noch) Liezen.

Sie wissen auch, dass sich der Motorisierungsgrad in Österreich in den letzten 10 Jahren nicht verändert hat, d.h. wir brauchen keine neuen Autobahnen (schließlich haben wir in der EU schon die drittmeisten Autobahnkilometer pro Einwohner). Wir bauen für unsere Steuergelder Luxus-Transitautobahnen für ausländische Lkws, während unsere Landesstraßen in bedauernswertem Zustand sind. Dabei decken die Mauteinnahmen durch Lkws nur 20% der tatsächlich anfallenden Kosten. Wären Sie der Besitzer der Asfinag, würden Sie diesen groben Unfug sofort einstellen. Ich glaube nicht, dass bei IBS der Umsatz 20% Ihrer Kosten beträgt.

Als Unternehmer werden Sie es sicher nicht gerne sehen, wenn der Tourismus in die Knie gehen wird. In Zedernhaus ist die Zahl der Nächtigungen von 130.000 pro Jahr (vor dem Bau der Tauernautobahn) auf nun 20.000 zurückgegangen, und davon ist ein guter Teil Nächtigungen durch Bauarbeiter. Das wird mit dem Naturpark Grebenzen auch passieren (z.Zt. 150.000 Nächtigungen).

Immer wieder wird als „Argument“ die Sicherheit angeführt, was angesichts der offiziellen Statistiken geradezu lachhaft ist. Da werden einzelne Unfälle, wenn es dem Herrn gerade passt, als „typisch“ herangezogen. Dabei ist bekannt, dass zu hohe Geschwindigkeit, Alkohol und Unaufmerksamkeit die drei wichtigsten Unfallursachen sind. Selbst die Asfinag, die eine Fremdfirma beauftragte, musste einsehen, dass es sich bei dieser Trasse um eine unfallarme Trasse handelt. Was aber völlig von Ihnen zur Seite geschoben wird ist die Tatsache, dass durch die Schadstoffbelastung (Abgase, Feinstaub, Lärm) mehr Menschen zu Tode kommen als durch Unfälle. Aber dafür setzen Sie sich nachhaltig ein.

Zu all dem Übel von Feinstaub, Abgasen und Lärm (nur damit Ihre paar Lkws 6-7 min Zeit sparen) kommt auch noch das Problem der Kriminalität. Kürzlich wurde in der Presse veröffentlicht, dass mehr als 30% aller Einbrüche in Firmen im Umkreis von 1.5 km von Autobahnen und Schnellstraßen begangen werden.

Sie führen immer wieder Tunnels, Unterflurtrassen und Lärmschutzwände zur Beschwichtigung an. Selbst die Asfinag gibt auf ihrer Website zu, dass es KEINE umweltfreundlichen Tunnels gibt, und die Erfahrung lehrt uns, dass bei Projektende das Geld aufgebraucht ist, und deshalb die versprochenen Lärmschutzwände nicht gebaut werden.

Sie verniedlichen auch die Gefahr einer TRANSIT-Autobahn als Schauermärchen. Dazu kann ich nur sagen: Geographie NICHT GENÜGEND. Aber Sie werden ja nicht an Ihren Geographie-Kenntnissen sondern an Ihrer unternehmerischen Leistung gemessen. Stellen Sie sich bitte an die Bundesstraße in Neumarkt und beobachten eine halbe Stunde lang, woher die vielen Mautflüchtlinge kommen (Polen, Italien etc.) Uns droht, und darin sind die Experten einig, eine Autobahn, die schlimmer ist als die Inntalautobahn (belegt durch die Zahlen der Asfinag). Was das für unsere Gesundheit bedeutet, wissen wir aus diesem leidgeprüften Bundesland, wo die Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub fast täglich doppelt so hoch sind wie erlaubt. Wo bitte bleiben da die verantwortungsvollen Politiker? Auch eine Resolution von 1200 Tiroler Ärzten, die klar und deutlich auf die Gefahren für die Gesundheit hinweisen, wird weitgehend ignoriert.

Inzwischen scheinen Sie (wie aus der Zeitung vom 25. Juni ersichtlich ist) eine neue Brille zu haben, aber Ihren Durchblick hat sie nicht verbessert. Sie sind nun froh, dass „der Kelch der Transitautobahn“ an Teufenbach vorüber gegangen ist. Von dieser sicheren Warte aus lässt sich nun gut FÜR die Autobahn Propaganda machen. Nach dem Motto: „ich bin bedingungslos für die Autobahn, solange sie nicht vor meiner Haustür vorbeiführt.“

Ihre Argumente sind seicht (Unfälle, Staus) und dann natürlich wieder die leere Drohung mit dem Investitionsstop. Aber Ihre plötzliche Aktivität macht mich stutzig, vor allem wenn Sie so spontan, cool, und abseits von Emotionen sind. Das klingt für mich ganz danach, dass z.B. die jüngst aktiv gewordene Public Relations Company Hochegger.com Sie vor den Karren gespannt hat. Diese Firma wurde ja von der Landesrätin Edlinger-Ploder eingesetzt, um die Stimmung in der Bevölkerung zu manipulieren (pardon, die Dame hat ein politisch korrekteres Wort verwendet). Die Bürgerinitiativen im Ennstal sind jedenfalls auf der Hut vor diesen Machenschaften. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass nach einer Umfrage in der Kronenzeitung sich 90% der Leser GEGEN die Autobahn ausgesprochen haben.

Da muss man natürlich als Regierung schon was tun, (so wie die EU in Irland so lange abstimmen will, bis das Ergebnis „stimmt“) und da sind Sie als bekanntes und populäres Zugpferd natürlich die erste Wahl in dieser Region. Aber bitte bedenken Sie, so wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, so macht ein Bartelmus noch keine Autobahn.

Abschließend möchte ich, da ich nicht glaube, dass Sie meinen Brief vom vorigen Jahr aufgehoben haben, Ihnen eine Passage kopieren: an der TU Wien wurde das Geschäftsgebaren der Asfinag im Zusammenhang mit der S36 untersucht.

  • der humanmedizinische Sachverständige hat das dringendste Problem der Lärmspitzen gar nicht behandelt, was die gesamte Vorgangsweise in Frage stellt
  • Transparenz, Plausibilität und Nachvollziehbarkeit sind nicht gegeben
  • Diese Argumentationslinie ist eines Sachverständigen für Luft und Klima unwürdig
  • Auf Grund überhöhter Prognosen wurde eine Ausbauerfordernis abgeleitet. Mit korrigierten Prognosen wäre kein Ausbau nötig
  • Ozon ist ein klimarelevantes Gas, wird aber gar nicht behandelt
  • Wegen dieser Unklarheiten kann die Umweltauswirkung nicht berechnet werden
  • Lärm: das Vorhaben ist umwelthygienisch völlig fahrlässig
  • Um Grenzwertüberschreitungen beim hochgiftigen Stickstoffdioxid ausschließen zu können, wird der Bau einer Lärmschutzwand als sinnvoll erachtet. […ist in Wahrheit unwirksam und unsinnig]
  • Die Vorgangsweise des umwelthygienischen Gutachters ist falsch
  • Jede Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen des Verkehrswachstums sind unterblieben
  • Prognosen sind systemwidrig
  • Keine differenzierte Analyse an relevanten Zählstellen

Aber ich prophezeie, dass Sie Ihre Meinung in bewährter Manier wieder ändern werden, dann nämlich, wenn von Scheifling die Autobahn Richtung Tamsweg gebaut wird. Dann ist Teufenbach wieder in Gefahr und in einer Opferrolle. Dann werden Sie wieder, wie vor einem Jahr „strategisch vorgehen“. Aber das wird wohl noch ein paar Jahre dauern.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. G. Sprintschnik

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